Es ist gerade mal hundert Jahre her, als sich in Österreich
das Unterrichtsministerium mit der Frage beschäftigte, ob die bestehenden
einjährigen Lehrkurse zur „Qualifizierung“ zur Kindergärtnerin auf zwei Jahre
erweitert werden sollten. Das Ziel war, auf diese Weise „besser vorgebildete
Elemente zur praktischen Mitwirkung an der Erziehung im Kindergarten“ (Quelle:
Die Presse.com/Zeitreise, Datum: 16.06.1914)) zu gewinnen.
Allein die Wortwahl zeigt, welchen Stellenwert die
Öffentlichkeit diesem Beruf damals zumaß. Bei uns in Deutschland wird das
Denken auch nicht anders gewesen sein.
Noch heute sieht die Öffentlichkeit in der Erzieherin eine
Person, die nichts zu tun hat, als den ganzen Tag mit den Kindern zu spielen.
Zwischendurch trinkt sie gemütlich ihren Kaffee und sitzt dabei entspannt auf
einer Bank im Garten.
Mit Kindern spielen: Die Erzieherin versteht Ihr Kind
Klar spielt sie mit den Kindern: das ist ihr Job. Doch eine
Erzieherin, die ihren Beruf versteht, spielt nicht einfach so, sondern weil der
Jan nur dann spricht, wenn er sich mit Autos beschäftigt. Sie lockt ihn aus der
Reserve, indem sie sich zu ihm auf den Boden setzt und ebenfalls Autos
herumschiebt. Die Svenja hat gleichfalls ein Problem mit der Sprache. Sie liebt
Rollenspiele. Auch hier versucht die Erzieherin dem Kind Sprachanreize zu
geben, wenn sie mitspielt. Der Leo haut am liebsten kleinere Kinder. Für ihn
hält die Erzieherin Tobespiele bereit, bei denen er seine überschüssige Energie
in andere Bahnen lenken kann. Die Erzieherin fördert, motiviert, tröstet und gibt Hilfestellungen.
Das Spiel als pädagogische Handlung
Ja klar, die Erzieherin spielt mit den Kindern, aber in der
Regel ist jede ihrer scheinbar so spielerischen Handlungen pädagogisch
motiviert. Nebenbei muss sie für jedes Kind Dokumentationen führen,
Lerngeschichten schreiben und Elterngespräche vorbereiten. Gleichzeitig soll
sie wissen, welches Kind eine Allergie hat, wer auf gar keinen Fall Karotten
essen darf und wer grundsätzlich zu wenig trinkt. Zur Abholzeit soll sie
außerdem darüber Auskunft geben können, wo das Kind seine Hausschuhe versteckt
hat, weshalb die Jacke von Luca nicht auffindbar ist und warum Marie auf einmal
rosa Söckchen trägt, obwohl die Mutter ihr morgens rote angezogen hat. Oft
genug lösen sich solche Vorfälle schnell und unkompliziert in Wohlgefallen auf,
da die sich die Hausschuhe nur an einem anderen Platz befinden, Luca schon ohne
Jacke in den Kindergarten gekommen ist und die Mutter von Marie die Tage
vertauscht und am Tag vorher ihrer Tochter die roten Socken angezogen hat.
Erzieher sind Allrounder
Ja, eine Erzieherin spielt mit den Kindern, aber sie ist es
auch, die in jeder Situation den Überblick bewahren muss. Sie benötigt dafür
Nerven aus Stahlseil. Im alltäglichen Kindergartenleben sieht das Spiel nur von
außen so idyllisch aus. In Wirklichkeit kommt es unter den Kindern immer wieder
zu Rangeleien, Streitereien und auch Handgreiflichkeiten. Dazu machen 25 Kinder
in einer Gruppe einen Lärm, der dem eines Presslufthammers ziemlich nahekommt.
Je nach Kindergarten und Kindern, gerät eine Erzieherin oftmals mehrmals am Tag
bis an die Grenze ihrer Belastungsfähigkeit. Insbesondere Erzieher, die in den
sogenannten Ballungsräumen arbeiten, können ein Lied davon singen.
Ausbildungszeiten als Erzieher/in
Inzwischen umfasst die Ausbildungszeit zur Erzieherin fünf
Jahre. Auf eine zweijährige praktische Vorbereitungszeit, folgen zwei Jahre
Schulausbildung und daran schließt sich ein einjähriges Anerkennungsjahr an.
Erst danach – das Bestehen der entsprechenden Prüfungen vorausgesetzt – darf sie
sich „Staatlich anerkannte Erzieherin“ nennen.
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