Freitag, 28. November 2014

Gewaltbereite Kinder – Herausforderung für Eltern und Gesellschaft

Eine 22-jährige wurde von einem 18-jährigen zusammengeschlagen. Sie erlag im Krankenhaus ihren schweren Kopfverletzungen und starb. Viele Menschen sind entsetzt über die Gewalt von jungen Menschen. Sie fragen sich unweigerlich woher diese Gewaltbereitschaft kommt.
Als Eltern hat man dabei ein mulmiges Gefühl und hofft, dass man den eigenen Kindern genügend Werte vermitteln kann, damit sie niemals zu denjenigen gehören mögen, die anderen irgendetwas antun.  


Doch wie kann man als Eltern dieses Ziel wirklich erreichen?
Das Aufzeigen von Wertvorstellungen ist dabei natürlich wichtig. Das Kind muss von Anfang an lernen, dass Hilfsbereitschaft und das sich Einfühlen in andere Menschen etwas sehr Wichtiges ist.
Zudem sollten sich Eltern frei davon machen, beleidigt zu sein, wenn andere Menschen in ihre Erziehung eingreifen.

Miterzieher bewusst mit einbeziehen

Beispiel: Jan ist mit seinen Eltern im Freibad. Dort springt er ungeniert vom Beckenrand. Eine Schwimmerin fühlt sich davon belästigt. Sie macht das Kind darauf aufmerksam, dass das Springen vom Beckenrand verboten ist. Der Vater hört dies und kontert sofort: „Das geht Sie gar nichts an. Kümmern Sie sich gefälligst um Ihre eigenen Sachen.“ Stattdessen motiviert er Jan sogar, weiter vom Beckenrand zu springen.
Jan hat jetzt zwei Sachen gelernt: Erstens man muss niemals auf andere Erwachsene hören. Zweitens über Verbote (vom Beckenrand springen verboten) kann man sich ruhig hinwegsetzen.

Jan ist bei diesem Vorfall acht Jahre alt. Zwei Jahre später steht er an einer Bushaltestelle. Er ist übermütig, voller Energie und hat heute ganz besonders „Hummeln im Hintern“. Neben ihm steht eine alte Frau mit Gehwägelchen. Jan packt der Übermut. Er rempelt die Frau absichtlich an, denn er will sehen, was passiert. Die Frau stürzt. Jan steigt betont langsam in den Bus ein. Er schaut, ob irgendjemand den Vorfall mit ihm in Verbindung bringt. Ein in der Nähe stehender Mann hilft der Frau wieder auf. Der Mann hat sehr wohl gesehen, dass Jan der Schuldige war, aber er verzichtet darauf, ihn zur Rede zu stellen. Jan freut sich, denn er hat sein Ziel erreicht: Er hat ganz bewusst eine Grenze übertreten und er war nicht dafür zur Verantwortung gezogen worden.
Er hat wieder was gelernt: Frechheit siegt.

Die Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen. Man mag jetzt darauf spekulieren, weshalb der hilfsbereite Mann Jan nicht zur Rede gestellt hat. Möglicherweise, weil es in unserer Gesellschaft schon lange nicht mehr gut ankommt, wenn man Kinder öffentlich in die Schranken weist. Erst recht nicht, wenn diese Kinder nichts mit einem selber zu tun haben.

Erziehung ist keine Privatsache

Doch eigentlich ist es für Eltern eine Hilfe, wenn andere ihre Meinung zum Fehlverhalten des eigenen Sprösslings äußern. Dann kann man dem Kind sagen: „Siehst du, den Herrn Meier stört es auch, wenn du im Treppenhaus Ball spielst.“ Die eigene Meinung bekommt so sogar noch Verstärkung und mehr Gewicht. Es ist keine Einmischung, sondern eine Unterstützung.
Auch die Trotzanfälle an der Supermarktkasse könnte man mit der Hilfe anderer ganz schnell eindämmen. Wenn der nächste in der Schlange dem eigenen Sprößling zuriefe: „Jetzt bist du aber mal ruhig, ich bekomme ja Ohrenschmerzen von deinem Geschrei.“ Dann wäre das für das Kind ein stark wahrnehmbares Zeichen: Da habe ich eine Grenze überschritten. Hier als Eltern zu reagieren mit: „Das geht Sie gar nichts an“, wäre kontraproduktiv.


Deshalb sollten Eltern nicht beleidigt sein, wenn jemand „seinen Senf“ zur Erziehung dazu gibt, sondern diesen Beitrag in die eigene Erziehung mit einflechten. Nicht umsonst gibt es Kulturen, in denen die Erziehung Sache des ganzen Dorfes ist. Auch wir müssen wieder begreifen, dass Erziehung keine Privatsache ist, sondern letztlich die ganze Gesellschaft angeht.

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