Eine 22-jährige wurde von einem
18-jährigen zusammengeschlagen. Sie erlag im Krankenhaus ihren schweren
Kopfverletzungen und starb. Viele Menschen sind entsetzt über die Gewalt von
jungen Menschen. Sie fragen sich unweigerlich woher diese Gewaltbereitschaft
kommt.
Als Eltern hat man dabei ein
mulmiges Gefühl und hofft, dass man den eigenen Kindern genügend Werte
vermitteln kann, damit sie niemals zu denjenigen gehören mögen, die anderen
irgendetwas antun.
Doch wie kann man als Eltern
dieses Ziel wirklich erreichen?
Das Aufzeigen von
Wertvorstellungen ist dabei natürlich wichtig. Das Kind muss von Anfang an lernen,
dass Hilfsbereitschaft und das sich Einfühlen in andere Menschen etwas sehr
Wichtiges ist.
Zudem sollten sich Eltern frei
davon machen, beleidigt zu sein, wenn andere Menschen in ihre Erziehung
eingreifen.
Miterzieher bewusst mit einbeziehen
Beispiel: Jan ist mit seinen
Eltern im Freibad. Dort springt er ungeniert vom Beckenrand. Eine Schwimmerin
fühlt sich davon belästigt. Sie macht das Kind darauf aufmerksam, dass das
Springen vom Beckenrand verboten ist. Der Vater hört dies und kontert sofort: „Das
geht Sie gar nichts an. Kümmern Sie sich gefälligst um Ihre eigenen Sachen.“
Stattdessen motiviert er Jan sogar, weiter vom Beckenrand zu springen.
Jan hat jetzt zwei Sachen
gelernt: Erstens man muss niemals auf andere Erwachsene hören. Zweitens über Verbote
(vom Beckenrand springen verboten) kann man sich ruhig hinwegsetzen.
Jan ist bei diesem Vorfall acht
Jahre alt. Zwei Jahre später steht er an einer Bushaltestelle. Er ist
übermütig, voller Energie und hat heute ganz besonders „Hummeln im Hintern“.
Neben ihm steht eine alte Frau mit Gehwägelchen. Jan packt der Übermut. Er
rempelt die Frau absichtlich an, denn er will sehen, was passiert. Die Frau
stürzt. Jan steigt betont langsam in den Bus ein. Er schaut, ob irgendjemand
den Vorfall mit ihm in Verbindung bringt. Ein in der Nähe stehender Mann hilft der
Frau wieder auf. Der Mann hat sehr wohl gesehen, dass Jan der Schuldige war,
aber er verzichtet darauf, ihn zur Rede zu stellen. Jan freut sich, denn er hat
sein Ziel erreicht: Er hat ganz bewusst eine Grenze übertreten und er war nicht
dafür zur Verantwortung gezogen worden.
Er hat wieder was gelernt:
Frechheit siegt.
Die Beispiele lassen sich
beliebig fortsetzen. Man mag jetzt darauf spekulieren, weshalb der hilfsbereite
Mann Jan nicht zur Rede gestellt hat. Möglicherweise, weil es in unserer Gesellschaft
schon lange nicht mehr gut ankommt, wenn man Kinder öffentlich in die Schranken
weist. Erst recht nicht, wenn diese Kinder nichts mit einem selber zu tun
haben.
Erziehung ist keine Privatsache
Doch eigentlich ist es für Eltern
eine Hilfe, wenn andere ihre Meinung zum Fehlverhalten des eigenen Sprösslings
äußern. Dann kann man dem Kind sagen: „Siehst du, den Herrn Meier stört es
auch, wenn du im Treppenhaus Ball spielst.“ Die eigene Meinung bekommt so sogar
noch Verstärkung und mehr Gewicht. Es ist keine Einmischung, sondern eine
Unterstützung.
Auch die Trotzanfälle an der
Supermarktkasse könnte man mit der Hilfe anderer ganz schnell eindämmen. Wenn der
nächste in der Schlange dem eigenen Sprößling zuriefe: „Jetzt bist du aber mal
ruhig, ich bekomme ja Ohrenschmerzen von deinem Geschrei.“ Dann wäre das für
das Kind ein stark wahrnehmbares Zeichen: Da habe ich eine Grenze
überschritten. Hier als Eltern zu reagieren mit: „Das geht Sie gar nichts an“,
wäre kontraproduktiv.
Deshalb sollten Eltern nicht
beleidigt sein, wenn jemand „seinen Senf“ zur Erziehung dazu gibt, sondern
diesen Beitrag in die eigene Erziehung mit einflechten. Nicht umsonst gibt es
Kulturen, in denen die Erziehung Sache des ganzen Dorfes ist. Auch wir müssen
wieder begreifen, dass Erziehung keine Privatsache ist, sondern letztlich die
ganze Gesellschaft angeht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen